Niederlande: Darum wollen immer mehr Bauern auswandern

'Eine große Gruppe von Landwirten hat mit den immer weiter wachsenden Vorschriften in den Niederlanden abgeschlossen.'
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Agrarheute 25.02.2020 - Immer mehr niederländische Bauern wollen das Land verlassen. Sie überlegen, ihren Hof zu verkaufen und im Ausland von vorne zu beginnen. Das stellte der internationale Agrarmakler Interfarms fest. Das Unternehmen bietet für auswanderungswillige Bauern Informations-Veranstaltungen an und unterstützt die Familien bei der Vorbereitung. Interfarms ist auch in Deutschland aktiv und bietet auch hierzulande Betriebe zum Kauf und Verkauf an.

Der Agrarmakler ist auf den Handel mit landwirtschaftlichen Flächen und Unternehmen im Ausland spezialisiert. Interfarms-Direktor Frits Bennink berichtete über ein wachsendes Interesse der Bauern an diesen Treffen, gegenüber dem niederländischen Agrar-Onlinedienst Nieuwe Oogst. Bereits im Januar hatten niederländische Medien – wie der staatliche Onlinedienst NOS – ausführlich über die „neue Auswandungswelle“  unter Bauern berichtet.

Frits Bennink sagt dazu: "In der Vergangenheit kamen manchmal vierzig Bauern zu unseren Veranstaltungen, jetzt waren es 150. Es ist fünfzehn Jahre her, dass so viele Leute ihr Interesse gezeigt haben,“ sagt Bennink gegenüber Nieuwe Oogst. Von einem Exodus der niedrländischen Bauern wollte Frits Bennink allerdings nicht sprechen.

Ursache: Unklarheit über die Zukunft

In den 80er und 90er Jahren gab es schon einmal große Auswanderungswellen. Damals verließen jährlich 300 Bauernfamilien ihre Höfe und das Land. Nach der Jahrtausendwende sank die Zahl der Auswanderer dann auf rund 30 pro Jahr. Infolge der im Jahr 2015 in Kraft getretenen Phosphatauflagen ist die Zahl zuletzt wieder auf etwa 75 pro Jahr gestiegen, berichtet Interfarm.

Es wird erwartet, dass die Zahl der Auswanderer aufgrund der geplanten Stickstoff-Maßnahmen nochmals zunehmen wird. Bennink bestreitet allerdings, dass das Stickstoffproblem allein für die Zunahme verantwortlich wäre. Er sagt gegenüber dem Agrarportal Nieuwe Oogst: „Nein, das Interesse ist seit mindestens einem Jahr so hoch. Eine große Gruppe von Landwirten hat mit den immer weiter wachsenden Vorschriften in den Niederlanden abgeschlossen", fügte er an.

„Es ist hauptsächlich die Unklarheit über die Zukunft, die die Bauern dazu bringt, sich nach etwas anderem umzusehen. Sie kommen zu unseren Abenden zur Orientierung. Aber die Frage ist natürlich, wie viele letztendlich wirklich auswandern werden“, sagt der Makler.

Soziale und ökonomische Gründe abwiegen

Der Agrarmakler Harry Streng sagte gegenüber Nieuwe Oogst jedoch, dass die niederländischen Landwirte trotz der Probleme nicht zu Dutzenden im Monat das Land verlassen würden. „Egal wie groß die Unsicherheit ist, eine Auswanderung ist ein großer Schritt. Bauern machen einen solchen Schritt nicht über Nacht. Es ist wichtig, dass die Leute sich ausreichend informieren, sagt Streng.

Mit einer Auswanderungs-Entscheidung ist viel verbunden, ergänzt der Makler. „Das muss eine wohlüberlegte Entscheidung sein, sowohl geschäftlich als auch sozial. Man tut das nicht, weil wir seit sechs Monaten eine Stickstoffkrise haben. In dem Moment, in dem die Bauern aus Frustration über die Politik in den Niederlanden den Betrieb aufgeben, ist der Plan zum Scheitern verurteilt", sagt der Agrarmakler.

"Du musst gehen, weil du eine gute Chance siehst." Weiter sagte Streng: „Man muss geschäftlich und emotional fit sein. In geschäftlicher Hinsicht muss man ein Top-Unternehmer sein, weil man wirklich viel selbst arrangieren muss."

Bennink nennt zudem den sozialen Aspekt als einen wichtigen Grund für Bauern, doch noch von der Auswanderung abzusehen.

Auswanderung: Ein sehr langfristiger Prozess

Obwohl die Stickstoffkrise von Bennink und Streng nicht als alleiniger Grund für die Auswanderung angesehen wird, stellen sie fest, dass die Einführung von Phosphatrechten die Auswanderung vor allem bei den Milchbauern forciert hat. Dies ist hauptsächlich auf den finanziellen Spielraum zurückzuführen, den die Rechte und ihr möglicher Verkauf mit sich bringen, glauben die beiden Makler.

Durch den Verkauf der Phosphatrechte erhielten die Bauern also die Möglichkeit, Geld zu verdienen und dies dann einzusetzen." Die Auswanderung ist jedoch ein sehr langfristiger Prozess, sagt Bennink. Er rechnet für einen Wechsel - etwa nach Deutschland - mindestens mit sechs Monaten.

„Dann müssen sie aber schon eine Farm gefunden haben, die Sie kaufen möchten. Es kann auch ein Jahr dauern, bis Sie einen geeigneten Bauernhof gefunden haben. Und dann müssen Sie noch Ihre Betrieb in den Niederlanden verkaufen und zur Bank gehen.

Milchbauern sind am "mutigsten"

Es sind hauptsächlich Milchbauern, die über die Grenze schauen, gefolgt von Ackerbauern, berichten die Interfarm-Makler. Bennink und Streng sehen nur gelegentlich auch Geflügelzüchter oder Schweinezüchter den Schritt machen. Die meisten "Auswanderungsbauern" sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Deutschland und Dänemark sind bislang die beliebtesten Ziele. Das Land ist dort billiger und es gibt (noch) keine Phosphatrechte.

„Die Regeln sind in diesen Ländern nicht viel anders als in unserem Land. Der Unterschied ist, dass sie mehr Land zur Verfügung haben. Wenn Sie ein weniger intensives Unternehmen haben, können Sie die Regeln leichter einhalten, analysieren die beiden Makler die Lage. „Es gibt mehr Platz im Ausland und deshalb es weniger Probleme.

In Deutschland muss man zum Beispiel auch einen Düngerplan schreiben, aber wenn man genug Land hat, ist das kein Problem, weil die Emissionen pro Hektar geringer sind, sagen die Interfarm-Makler. Kanada war jahrelang vor allem ein Auswanderungsland für Milchbauern. Ein höherer Milchpreis und ein niedrigerer Preis für landwirtschaftliche Flächen machten dieses Land besonders attraktiv.

Semigration: Auswandern und den Betrieb behalten

Krijn Poppe, Senior Economist bei Wageningen Economic Research, ist vom Interesse an Auswanderung nicht überrascht. „Ich verstehe, dass diese Entwicklung in der gegenwärtigen Situation forciert wird. Die Niederlande waren immer international ausgerichtet und die Landwirte haben immer nach Möglichkeiten im Ausland gesucht", sagt der Wissenschaftler.

Der Ökonom erinnert ebenfalls an die "Auswanderungswelle" in den 1980er Jahren, die mit der Einführung der Milchquote ausgelöst wurde und die Welle in den 1990er Jahren, nach Dänemark, Deutschland, Ungarn und Polen. In Dänemark waren das Land und die Milchquote damals erheblich billiger. In Osteuropa standen nach dem Ende des Sozialismus billiges Land und genügend Arbeitskräfte zur Verfügung.

Neben der Auswanderung gewinnt nach Einschätzung des Wissenschaftlers auch die Semigration bei den Landwirten an Bedeutung. Dies ist eine Form der Auswanderung unter Beibehaltung eines Unternehmens in den Niederlanden. Unternehmer wählen dies, um ihr Risiko zu verteilen. Arbeitsintensive Arbeitsplätze werden so auch in „Niedriglohnländer“ verlagert. Es sei jedoch schwierig herauszufinden, wie viele Landwirte jedes Jahr auswandern oder nur zur „Halbmigration ins Ausland gehen“, heißt es weiter.

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